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Begrüßung durch den 1. Vorsitzenden Dietmar Michalke

Sehr geehrter Herr Prof. Hoerster,

sehr geehrte Damen und Herren,

1. Begrüßung

Im Namen des Bundes für Geistesfreiheit begrüße ich Sie ganz herzlich zur diesjährigen Verleihung des Ludwig-Feuerbach-Preises an den Rechtsphilosophen Prof. Dr. Dr. Norbert Hoerster.

Herr Prof. Hoerster ist nun die 3. Persönlichkeit, an die der Ludwig Feuerbach-Preis verliehen wird. Der erste war der Religionskritiker, Schriftsteller und Historiker Karlheinz Deschner im Jahre 2001. Im folgte der Psychologe Prof. Franz Buggle im Jahre 2004.

Ich freue mich ganz besonders, dass wir als Laudator der heutigen Preisverleihung den Philosophen Herrn Prof. Dr. Franz-Joseph Wetz gewinnen konnten. Er arbeitete mit Hrn. Prof. Hoerster zusammen. Beide machten zusammen Radiosendungen. Prof. Wetz war spontan sofort bereit, die Laudatio zu halten.

Eine weitere besondere Freude für uns ist, dass wir mit Herrn Martin Münch einen ganz besonderen Musiker für den heutigen Abend gewinnen konnten. Wenn man ihn auf dem Handy anruft oder eine e-Mail schreibt, so weiß man nie, ob er sich gerade in Italien, Spanien, Osteuropa oder vielleicht gar in Amerika oder Japan aufhält um ein Konzert zu geben. Nicht nur örtliche Flexibilität ist sein Metier; auch die fachliche. Er studierte nicht nur Musik, sondern auch Philosophie. Letzteres bewog ihn vielleicht, vor 1,5 Jahren einen Bund für Geistesfreiheit im Raum Heidelberg zu gründen. Herr Münch ist damit der einzige bfg-Ortsvorsitzende außerhalb Bayerns.

Weiter begrüße ich

Herrn Dr. Schobert, den Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS), die mit dem bfg freundschaftlich, inhaltlich und durch zahlreichen Doppelmitgliedschaften verbunden ist.
den Vorsitzenden des Humanistischen Verbandes Deutschland in Nürnberg, Herrn Helmut Fink ganz herzlich. Der HVD ist bundesweit vertreten und ein sehr erfolgreicher Betreiber humanistischer Kindergärten, eines humanistischen Ethikunterrichtes in Berlin und so das Bayerische Kultusministerium will, einer humanistischen Grundschule. Bisher wollte das Bayerische Kultusministerium allerdings nicht.
die Vorstandsmitglieder Rainer Statz, Dr. Klusmann und Hr. Barnickel vom bfg München
den Vorsitzenden des bfg Neuburg/Ingolstadt Rainer Lüttich
Nicht begrüßen können wir Vertreter der Stadt Augsburg. Wie auch schon seine Vorgänger hatte der OB Dr. Wengert keine Zeit, unseren Festakt zu besuchen.
Der Präsident des Dachverbandes Freier Weltanschauungen, Dr. Volker Müller, konnte nicht selbst aus Berlin kommen. Er schickte uns eine Grußbotschaft und drückte seine Freude aus über die Wahl des heutigen Preisträgers aus

Bevor ich zur Begründung der Preisverleihung komme, übergebe ich an

Herrn Dr. Schobert und Herrn Helmut Fink das Mikro für ihre Grußworte.

2. Preisbegründung

Der Vorstand des bfg Augsburg war sich schnell einig, dass Prof. Hoerster der diesjährige Preisträger sein sollte. Tragend waren zum einen dessen religionskritische Arbeiten, zum anderen seine Verdienste um eine säkulare Bio- und Medizinethik.

Wegen Prof. Hoersters religionskritische Arbeiten lud ihn der bfg Augsburg in den frühen 90ger Jahren zu einem Referat ein. Thema war die „Unlösbarkeit des Theodizee-Problems“. Darum ging es um einen entscheidenden Widerspruch im Gottesverständnis, das auch dem Christentum zugrunde liegt: Angesichts der unbestrittenen Tatsache des Übels in der Welt kann es keinen Gott geben, der zugleich allmächtig und allgütig ist. Ich war gleich in mehrfacher Weise beeindruckt von diesem Vortrag. Die Widerlegung eines Gottes christlicher Prägung beruhte auf einem logischen Widerspruch und setzte keine komplizierten Kenntnisse über die Entstehung der Welt voraus, keine endlosen Erklärungen über den Urknall, die Evolution und den chemischen Bausteinen des Lebens – alles sehr interessant, aber in ihrer Komplexität kaum von einem einzelnen Menschen zu überblicken und daher von geringerer praktischer Überzeugungskraft. Außerdem war ich beeindruckt von diesem Vortrag, weil ich erfuhr, dass das Theodizee-Problem auf Epikur zurück geht. Religionskritik, die ich mit Feuerbach und Darwin bis dahin für eine Angelegenheit des 19. Jahrhunderts hielt, war also schon mindestens 2300 Jahre alt. So etwas lernt man schließlich nicht in der Schule! Warum wohl? In den vielen darauffolgenden Jahren verwendete ich Prof. Hoersters Argumente aus dem „Theodizee“-Vortrag und stellte fest, dass sie bei meinen Gesprächspartnern eine große Überzeugungskraft entfalteten und Nachdenklichkeit auslösten. Ich freue mich, dass Prof. Hoerster diese und andere Gedankengänge in dem Buch „Die Frage nach Gott“ darlegte, das 2005 erschien. Nun mag es ja sein, dass für Philosophen die Epikuräische Religionskritik und die späterer Denker zum Standard-Wissen gehört. Aber damit Erkenntnisse einen gesellschaftlichen Einfluss ausüben können, müssen sie in die Bevölkerung transportiert werden. In den Naturwissenschaften ist Populärwissenschaft eine sehr angesehene Disziplin, um die sich die erlesensten Denker bemühen: Richard Dawkins, Ernst Haeckel, Steven Weinberg, Richard P. Feynman, Steven J. Gould, Carl Sagan, Paul Davies, Hoimar von Ditfurth, Stephen Hawking, Rudolph Kippenhahn, Alan Guth usw und so fort. Einige von ihnen sind Nobelpreisträger.

Auf dem Gebiet der Philosophie ist es Herr Prof. Hoerster, der sich um diesen Wissenstransfer in die Bevölkerung ganz besonders verdient gemacht hat.

Das andere Arbeitsgebiet von Prof. Hoerster ist die Bio- und Medizin-Ethik. Hier entwickelte er eine Ethik, die ohne metaphysische Annahmen auskommt und sich dadurch einer prinzipiellen Überprüfbarkeit aussetzt. Ausgangspunkt dieser Ethik ist die Ablehnung des Begriffes der Menschenwürde als Kriterium der Ethik, da dieser Begriff von weltanschaulichen Dogmen geprägt ist. Stattdessen vertritt er eine Interessenethik, wonach nicht die Würde, sondern die Interessen eines Menschen (oder eines Tieres) zu schützen sind. Ich will das hier nicht vertiefen, da wir später noch davon hören. Wichtig ist es zu wissen, dass Ethik, oder wie es heute heißt Werte, von den christlichen Kirchen monopolartig beansprucht wird: Ohne Gott keine Ethik, und die Kirchen sind notwendig, um Werte in die Gesellschaft zu tragen – so die Behauptung. Damit begründen die Kirchen nicht zuletzt ihre immensen Privilegien, die sie vom Staat erhalten. Ich denke da z.B. an die Konkordatslehrstühle. Das sind Universitätslehrstühle in weltlichen Fächern wie Philosophie, Politologie und Pädagogik, die nur mit Professoren besetzt werden dürfen, die der katholischen Kirche genehm sind. Studenten wissen in der Regel gar nicht, dass sie von einem Kirchenfunktionär unterrichtet werden. Angeblich dient das alles nur der Werteerziehung. Und da kommt jemand wie Prof. Hoerster und entwickelt umfassende ethische Theorien, die die Religion außen vor lassen.

Es ging noch nie gut, wenn jemand den Kirchen die Spielwiese und damit ihren gesellschaftlichen Einfluss streitig macht. Die Diffamierung von Religionskritikern und areligiösen Denkern ist so alt wie die Religionskritik selbst.

Der bereits genannte Epikur wurde post mortem von seinen Gegnern zu einem zügellosen, verantwortungslosen Genussmenschen abgestempelt. Der Begriff „Epikuräer“ wurde zum Schimpfwort. Dabei plädierte er für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Streben nach Glück. Die Schädigung Anderer und sich selbst sollten diesem Streben Grenzen setzen.

Ein anderer Fall ist Montesquieus. Er war es, der erstmals die Gewaltenteilung in Legislative, Judikative und Exekutive forderte. Er wurde von den zeitgenössischen Jesuiten scharf attackiert und seine Bücher 1751 von der Katholischen Kirche verbotenen. Man muss sich das einmal vorstellen: Der große Vordenker der Demokratie wurde massiv unterdrückt. Und heute stellen sich die Kirchen hin und behaupten, sie würden die Werte liefern, auf denen unsere Demokratie beruht.

Na ja, auch nicht besser ging es dem Namensgeber unseres Preises – Ludwig Feuerbach. Als sich heraus stellte, dass das anonym veröffentlichte Buch ”Gedanken über Tod und Unsterblichkeit” von ihm war, wurde ihm ein faktisches Berufsverbot auferlegt. Er durfte nicht mehr an bayerischen Universitäten lehren und schlug sich mehr recht als schlecht durchs Leben.

Diesen Geist der Intoleranz bekam sogar noch in der Gegenwart der Biologe Richard Dawkins zu spüren. Man lud ihn in die Johannes-B.-Kerner-Talkshow ein, um ihn öffentlich zu demontieren. Er musste allein gegen drei deutschsprachige Kirchenvertreter antreten. Dawkins, dem alles erst ins Englische übersetzt werden musste, kam kaum zu Worte. Angriffe und Diffamierungen blieben so unwidersprochen im Raume stehen. Seit dem geht ein geflügeltes Wort um:

„Im Mittelalter schickte man Ketzer auf den Scheiterhaufen. Heute schickt man sie in die Kerner-Talkshow.“

Nach dem bisher Gesagten verwundert es nicht, dass auch Prof. Hoerster mächtigen Gegenwind zu spüren bekam. Die böse Saat gegen Vernunft und Aufklärung ging auf. Studenten der Universität Dortmund und Mainz fordern ein Redeverbot für Hoerster. Polizei-Eskorten wurden nötig, neugierige Presse im Haus, Pfeifkonzerte und unflätige Telefonanrufe.

Als Reaktion auf die Proteste gegen seine Thesen zur Bioethik kehrte Prof. Hoerster der Universität 1998 den Rücken.

Der Philosoph Hans-Joachim Niemann, Mitbegründer der Fränkischen Gesellschaft für Philosophie und der Gesellschaft für Kritische Philosophie, hielt eine flammende Abschiedsrede für Prof. Hoerster. Darin hieß es:

„Aber eines Tages..., eines Tages, wenn die Vernunft zur Vernunft gekommen ist, wenn wir begriffen haben, dass unsere Freiheiten in Bezug auf Zeugung, Geburt und Tod nicht von Fanatikern, sondern vor Fanatikern geschützt werden müssen, dass nicht der Pöbel, sondern das Recht das letzte Wort haben sollte; eines Tages, wenn uns die Angst vor dem Sterben genommen ist, weil uns die letzte Hilfe nicht länger versagt wird; eines Tages, wenn Frauen ihre persönlichsten Entscheidungen endlich selber treffen dürfen; eines Tages, wenn die Chaoten von der Bühne vertrieben sind, und die Intellektuellen sich wieder auf ihre Verantwortung besonnen haben; eines Tages wird man sich wieder an ihn erinnern: Norbert Hoerster, Rechtsphilosoph in Mainz; nicht unkorrigierbar, aber unbeirrbar.“

Nun, wir vom Bund für Geistesfreiheit müssen uns nicht erinnern, weil wir ihn nie vergessen haben. Und ich bin überzeugt, dass außerhalb des bfg das Erinnern an Prof. Hoerster längst begonnen hat.



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